Liebe Eltern,
eine Stellungnahme der Stadtteilschule Walddörfer zu den Abschlussprüfungen an den Stadtteilschulen zu Eurer Information.
Stellungnahme zur Prüfungssituation (MSA, ESA, Abitur) an der Stadtteilschule Walddörfer und Stimmungsbild von Schülerinnen und Schülern und Eltern
„Wir dürfen jetzt nicht leichtsinnig sein, wir dürfen uns nicht in Sicherheit wiegen“, ist der Appell von Angela Merkel am 09. April 2020 1 und zur Frage einer schrittweisen Lockerung der Beschränkungen etwa durch Aufnahme des Unterrichts an Schulen sagt sie, es werde Geduld brauchen. „Wir müssen ganz, ganz vorsichtig vorgehen!“
Der Gesundheitsminister Jens Spahn teilt heute bei der Bundespressekonferenz mit: „… Werden wir jetzt nachlässig, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Verlängerung der Auflagen nötig wird“2 .
Der Elternrat der Stadtteilschule Walddörfer hat Stimmungen und Meinungen der Schülerinnen und Schüler der Schule und der Eltern eingeholt. Uns ist bewusst, dass die gegenwärtige Situation für alle Menschen und Organisationen eine Herausforderung ist und menschlich an Grenzen stößt. Die Verunsicherung spiegelt sich in den Gedanken der Schülerinnen und Schüler wieder und dies nehmen wir in unsere Stellungnahme in den Fokus.
Wir sind mit den Schülerinnen/Schüler, den Eltern, den Elternratsmitgliedern und dem Schulleitungsteam in dieser Woche in den Online-Austausch gegangen und stellen weiter fest, dass viele Fragen, Befürchtungen und Bedenken bestehen. Unabhängig von den Diskussionen über Verschiebung der Prüfungen oder Aussetzung stand im Vordergrund die Gesundheit. Die Gesundheit aller Menschen, d.h. die Gesundheit der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler, der Lehrerinnen und Lehrer sowie sonstiges (wichtiges) Schulpersonal und der Familien. Unabhängig davon, dass die Schule organisatorisch die Prüfungen plant und damit den Weisungen der Behörde für Schule und Berufsbildung (nachfolgend auch kurz BSB genannt) folgt, sind die Bedenken bei uns Eltern groß und nicht unbegründet, dass die Sicherheitsvorschriften und die Einhaltung der hygienischen Voraussetzungen aktuell nicht erfüllt werden können! Es kann derzeit niemand – auch die BSB nicht – sicherstellen, dass die Prüflinge vor, während und nach der Teilnahme nicht in Kontakt mit dem Virus kommen.
Wenn nur eine Person, die in dem Prüfungszeitraum an der Schule ist, positiv auf Corona getestet wird, müssten nach unseren Informationen ca. 120 Schülerfamilien und schätzungsweise 60 Lehrerfamilien für 14 Tage in Quarantäne und diese geschätzten Zahlen gelten nur für die Stadtteilschule Walddörfer.
Aus unserer Sicht müssen diese Auswirkungen unbedingt vermieden werden.
Auffällig bei den ganzen öffentlichen Diskussionen ist für uns, dass viel über die Abiturprüfungen gesprochen wird, jedoch dabei der Mittlere schulische Abschluss – kurz MSA – und der Erste allgemeinbildende Schulabschluss – kurz ESA – und die damit verbundenen Prüfungen kaum bis gar keine Erwähnung finden.
So erhalten Abiturienten die Möglichkeit, sich bspw. Technik auszuleihen oder in der Schule Räume als Lernorte zu nutzen, aber was ist mit den anderen Prüflingen einer Stadtteilschule? Wir sprechen hier über ein große Anzahl. Es wird dabei außer Acht gelassen, dass es den MSA- und ESA-Prüflingen ähnlich ergeht. Ein Teil der betroffenen Schülerinnen und Schüler konnten weiterhin aus unterschiedlichen Gründen, welche nicht im Bereich der Schule liegen, nicht erreicht werden. Das halten wir in Bezug auf die festgelegten – mündlichen – Prüfungstermine für MSA und ESA für sehr bedenklich. Unabhängig davon, zeigt die geschilderte Situation auch, die besondere Stellung der Stadtteilschule. Sie organisiert drei Abschlüsse pro Schuljahr.
Wir verstehen uns als eine inklusiv lebende und handelnde Schulgemeinschaft und fragen uns, wie es der besonderen Menschengruppe ermöglicht wird, eine Prüfung abzulegen?
Weiterhin wurde uns in den Gesprächen bewusst, dass Stadtteilschulen zwar die mündlichen Prüfungen für MSA und ESA selbstständig festlegen, doch die zeitliche Planung dieser unter den jetzigen, geltenden Vorschriften Zeitdruck schaffen, welche Ressourcen oder Möglichkeiten nicht hergeben. Die Stadtteilschulen – so auch die Stadtteilschule Walddörfer – sind angehalten, mündliche Prüfungen bis zum 24. April und ab 29. Mai zu planen. Zwischen mündliche und schriftliche Prüfung wiederum sind 14 Tage anzusetzen. Und wir sprechen dabei noch nicht über Nachholtermine. Dann ist die Zeugniskonferenz noch zu bedenken, welche auch noch stattfinden muss (Zeugniskonferenz 03. Juni), um allen Bedarfen und Bedürfnissen der Prüflinge individuell und bewertbar gerecht zu werden. Daher war die Stadtteilschule Walddörfer gezwungen, die Planung der mündlichen Prüfungen ab dem 17. April bis einschließlich 23. April vorzunehmen. Wir weisen an der Stelle ausdrücklich auf die ausgesprochene Kontaktsperre bis zum 20. April (aktueller Stand) hin. Niemand weiß, wie es weiter geht. Wünschenswert wäre, der Stadtteilschule den Druck zu nehmen, indem die BSB die vorgenannte Regelung aufweicht. Es wird suggeriert, dass die Schulen Handlungsspielraum haben. Der ist nicht gegeben und Handlungsspielräume erwarten ebenfalls Zeit, Unterstützung und ggf. Flexibilität.
Die Situation ist für alle neu. Wir haben keine Erfahrungen damit. Die Sicherheitsbedenken in Bezug auf die Gesundheit der Schülerinnen und Schüler und der Eltern nehmen wir sehr ernst. Wir wünschen uns von der BSB, dass über alternative Formen der Durchführung oder des Aussetzen ggf. Verschiebung nachzudenken und eine verantwortungsbewusste Einscheidung zu treffen. Wir wissen auch nicht, was richtig oder falsch ist. Denn objektiv betrachtet, ist die sogenannte Corona-Krise im Mai oder im Juni unserer Ansicht nach nicht plötzlich vorbei.
Wie die Lockerung der Regelungen bezüglich Ausgang usw. seitens der Bundesrepublik aussehen, können wir gar nicht abschätzen, jedoch gehen wir nicht davon aus, dass ab den 21. April (oder bereits mit dem Stattfinden der mündlichen Prüfungen) plötzlich die uns allen vertraute soziale Situation im Gesellschaftsleben eintreten wird und Normalität vorherrscht.
Die Schulen in Hamburg haben keine Erfahrungen im Krisenmanagement oder Katastrophenschutz. Die Erfahrungen wären in der jetzigen Situation hilfreich, da Pläne, Handlungsweisen, hygienische und gesundheitliche Vorgaben, Materialen, Räume usw. präsent wären. Das ist nicht der Fall. Der Infektionsschutz ist nicht gegeben. Und wir bleiben bei unserer Meinung, es kann unter diesen Bedingungen keine Sicherheit und kein Schutz für Leben und Gesundheit von Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrern sowie schulisches Personal und deren Familien geben.
Wir wissen, dass die Schulbehörde nur die Rahmenbedingungen, Vorschriften oder Vorgaben für die Schulen lockern und der Situation angemessen bestimmen können. Dabei sollten die Schulen in der Umsetzung nicht allein gelassen werden.
Wie Sie feststellen, haben wir uns sehr intensiv mit allem auseinandergesetzt. Wir unterstützen die Stellungnahme der Schule und fordern die Schulaufsicht auf, über alternative Wege und Möglichkeiten der Prüfungen nachzudenken. Unseren Informationen nach liegen auch schon konkrete Vorschläge von Fachleuten und Fachgremien vor.
Die Eltern sind aktuell die engsten Bezugspersonen der Schülerinnen und Schüler. Die zwischenmenschliche Beziehung basierend auf Vertrauen ist unverzichtbar in Freundschaften, in der Liebe, in den Familien und in allen Organisationen. Sie spielt als Bindeglied eine Schlüsselrolle im wirtschaftlichen Austausch und in der Politik. Sie ist die Basis für die individuelle Definition von Verantwortung in der wertebasierten Gesellschaft. Das ist aktuell in der Situation der Pandemie sehr gut wahrzunehmen in den Entscheidungen der politischen Verantwortungs-Träger.
Wir fordern daher einen verantwortungsvollen Umgang bei den Entscheidungen über das private und berufliche Leben unserer Kinder und ihrer Gesundheit.
Es benötigt verantwortungsvolle politische Entscheidungen und daher haben wir uns entschlossen, unsere heutige Stellungnahme auch an die Vertreterinnen und Vertreter des Schulausschusses von Hamburg neben Elternkammer, Schülerkammer, Gemeinschaft der Stadtteilschulen – GEST -, Gesundheitsamt und Kreiselternrat – KER 52 – zu senden, um auch auf die Fragen der Eltern Antworten zu erhalten.
Fragen der Eltern an der Stadtteilschule Walddörfer:
- Einteilung von Betreuung und Aufsicht:
o Können die Prüfungen aktuell überhaupt stattfinden (Organisation) oder lieber doch nach hinten verschieben? Bezug dabei auf Hygienevorschriften.
o Gibt es schulübergreifende Unterstützung?
o Wie sieht es allgemein mit einer Einbindung von Eltern aus?
- Prüfung:
o Was ist, wenn Teilnehmerinnen aus Angst nicht erscheinen? Gleiches bei kranken Schülerinnen oder Risiko-Patienten.
o Wie wird es diesen Schüler*innen ermöglicht, an der Prüfung teilzunehmen?
o Abiturienten haben bereits ein Vor-Prüfung geschrieben – wie sieht es mit Ersatzlösungen bei Wegfall aus?
- Wertigkeit der Abschlüsse:
o Was ist mit der Qualität der Abschlüsse – bundesweit usw. -? Es besteht eine große Angst über die bundesweite Vergleichbarkeit der Abschlüsse unter den Bedingungen und mit dem Druck.
o Welche Akzeptanz der in diesem Jahr erlangten Schulabschlüsse ist auf der Seite von Ausbildungsbetrieben und Hochschulen/Universitäten zu erwarten?
o Welche Auswirkung haben Verschiebungen von Prüfungen auf die Anmeldefristen für weiterführende Schulen und Hochschulen/Universitäten?
Gesundheit:
o Wenn Schüler*innen jetzt teilnehmen, müssten sie streng genommen in 14 Tage in Quarantäne gehen (Empfehlung Gesundheitsamt). Das führt zu weiteren Verzögerungen und macht die Teilnahme der nachfolgenden Prüfungstermine nicht möglich. Wurde daran gedacht?
o Was ist mit Schülerinnen oder Schülern, die schon allein aus Angst die Prüfung nicht wahrnehmen können? Angst ist nicht zu unterschätzen und sich hat individuelle Auswirkungen. Eröffnet man Individuallösungen für die Schulen?
o Liegt vom Gesundheitsamt zur Anweisung der BSB zum Stattfinden der Prüfungen eine Einschätzung oder ein Einverständnis vor?
Aufsicht/Betreuung:
o Erfahren die Schülerinnen, dass der/die jeweilige Fachlehrerin gar nicht bei der Prüfung anwesend ist?
o Vorbereitung fällt weg, wie wird das in der Bewertung berücksichtigt?
Politik o Ist das Verschieben von Ferien geplant?
o Klärung: Rücktritt von Reisen (Sommerferien) wegen landesweiter Verschiebung – Jahrgang 7 und andere Jahrgänge:
o Wie geht es danach weiter? Nachfolgende Jahrgänge.
o In den ganzen Betrachtungen ist der Jahrgang 12 nicht aus dem Blick zu lassen. Was ist da geplant?
- Elternabende:
o Wie sollen die Elternabende stattfinden?
o Was kann schulseits mit Unterstützung der BSB dafür geplant werden?
- Schulaufsicht:
o Wie wird Schule unterstützt?
o Risiko für Schülerinnen, Lehrerinnen, Familien durch Teilnahme usw. ▪ Was passiert dann?
▪ Wie geht BSB mit Regressen und Klagen um?
o Anmeldefrist für Bewerbungen und weitere schulische oder berufliche Laufbahnen (30. März) – Was plant die Behörde?
o Wie sieht es mit der Öffnung der freiwilligen Wiederholung bei schlechterem Start des Schuljahrs aus (Bezugnahme auf die Forderung des Lehrerverbandes)?
o Gremienarbeit: Welche Möglichkeiten für Beschlussfassungen, Versammlungen (Austausch generell) usw. sind geplant und werden diese barrierefrei gestaltet?
o Nutzung von Online-Plattformen und Datenschutz – Welche Empfehlungen gibt der Hamburger Datenschutzbeauftragte und wie kann auch Eltern (Ehrenamt) der Zugang ermöglicht werden?
Diese Liste ist nicht abschließend, jedoch konnten wir viele Fragen im engen Austausch mit dem Schulleitungsteam bereits beantworten. Die von uns vertretenden Eltern wünschen sich auf die vorgenannten Fragen Antworten und wir bitten daher, uns die Antworten zukommen zu lassen.
Aufgrund der anstehenden Prüfungstermine bitten wir um baldige Entscheidung und Mitteilung dieser.
Wir wünschen allen eine besonnene Osterzeit und freuen uns über eine Rückmeldung, um den Druck durch eine transparente und verbindliche Kommunikation herauszunehmen.
Freundliche Grüße,
Nelofar Yesil Vorstand des Elternrats der Stadtteilschule Walddörfer
Wasse Schrader
Nicole Freckmann