Liebe Eltern,
nachfolgend ein Schreiben der Stadtteilschule Lurup an die Schulbehörde Hamburg betreffend der Abschlussprüfungen ESA/MSA 2020.
Abschlussprüfungen ESA/MSA
Sehr geehrter Herr Rabe, sehr geehrte Damen und Herren,
in vorbezeichneter Angelegenheit kommen wir zurück auf Ihre bisherigen Ausführungen (Pressekonferenzen/“Frag den Rabe“/Schreiben der Schulbehörde) zu den Abschlussprüfungen.
Wir haben uns gefragt, warum die ESA-/MSA-Prüfungen einen so kleinen Raum in Ihren sämtlichen bisherigen Ausführungen hatten.
Ihre wenigen Aussagen zu den ESA-/MSA-Prüfungen erwecken bei der Elternschaft den Anschein, dass diese Abschlüsse nicht von Bedeutung sind.
Die Abschlüsse der ESA/MSA-Schüler*innen haben eine ebenso enorme Gewichtung wie das Abitur und sind für alle Absolventen wegentscheidend.
Berücksichtigt man einmal den Altersunterschied der ESA-/MSA-Schülerinnen zu dem der Abiturienten, kann man von 14-jährigen nicht die gleiche strukturierte Arbeitsweise wie von 18-jährigen erwarten. Außerdem wurde bei den Abiturienten der prüfungsrelevante Unterricht bereits abgeschlossen, während bei den ESA/MSA Schülerinnen die Prüfungsvorbereitung direkt nach den Frühjahrsferien gestartet wäre.
Prüfungsrelevante Inhalte nach dem Lehrplan konnten also aufgrund von Corona nicht mehr vermittelt werden!
Erschwerend kommt hinzu, dass die Osterferien der anderen Bundesländer in der Coronazeit liegen und unsere Ferien in der Zeit waren, in der die anderen Schüler*innen noch beschult worden sind (2 Wochen mehr beschulte Vorbereitungszeit).
Von daher sehen wir eine Ungerechtigkeit in den Voraussetzungen für die Hamburger Schülerinnen, die die Prüfung des ESA/MSA ablegen, da diese nur mit der Hilfe der digitalen Medien zurechtkommen müssen. Somit sind unsere Schülerinnen ohne die direkte Unterstützung der Lehrer*innen in der Schule. Dies besorgt uns sehr!
Es gibt Familien, die sich die digitalen Endgeräte teilen müssen, so z. B. bei mehreren schulpflichtigen Kindern oder Eltern in Homeoffice. Außerdem gilt es zu bedenken, dass auf engem Raum viele Familienmitglieder zusammenleben und auch nicht für jedes Kind ein eigener Raum zum Lernen zur Verfügung steht. Ebenfalls gibt es viele Familien, deren größere Kinder (halt ESA- und MSA-Prüflinge) die kleineren Geschwister bei den schulischen Aufgaben unterstützen müssen und dadurch die Zeit des eigenen Lernens auf ein Minimum reduziert wird.
Die meisten Eltern sind keine ausgebildeten Pädagogen, ermöglichen aber ihren Kindern dennoch die bestmögliche Beschulung neben dem Alltag, der weiter unter neuen Bedingungen funktionieren muss.
Die Lehrerinnen unserer Schule sind in dieser schwierigen Zeit sehr engagiert, die Kinder zu motivieren und bestmöglich auf die Prüfungen vorzubereiten, trotz allem kann man von den Schülerninnen nicht erwarten, dass sie sich in dieser Situation nur auf die Prüfungen vorbereiten. Es gibt Familien die Existenzängste haben, die ihren Job ganz oder teilweise verloren haben oder Familien, in denen die Eltern im Einzelhandel, in der Pflege oder im Krankenhaus usw. arbeiten und von daher einem erhöhten Infizierungsrisiko ausgesetzt sind.
Diese Ängste lenken ebenfalls von den Prüfungsvorbereitungen ab!
Für alle in dieser Gesellschaft befindlichen Personenkreise (Arbeitnehmer/Arbeitgeber, Studierende, Mieter) wurde ein „Hilfspaket“ geschnürt.
Nur die Prüflinge in diesem Schuljahr müssen mit dieser Situation alleine klarkommen! Die digitale oder analoge Unterstützung von Seiten der Lehrer*innen in dieser Situation kann in keinster Weise mit der regulären Beschulung vergleichbar sein.
Ebenfalls sehen wir die Infektionsgefahr bei der Durchführung der Prüfungen als sehr bedenklich an. Die hygienischen Voraussetzungen in der Schule waren schon vor der Corona-Krise in einem desolaten Zustand (Toiletten/Seifenspender/Handtuchpapier usw.). Es kann nicht sein, dass fast die komplette Wirtschaft lahmgelegt wird, aber für die Prüfungen es Ausnahmen geben soll.
Warum wurde ein Bußgeldkatalog für alle Hamburger zu diesen Beschränkungen abgefasst, wenn er anscheinend nicht für die Prüfungen gelten soll?
Des Weiteren werden die Gefahren für die Kinder, die zur Risikogruppe gehören oder die Angehörige einer Risikogruppe haben, nicht hinreichend berücksichtigt. Der Senat und auch der Bund haben gerade diese Risikogruppen unter besonderen Schutz gestellt, der durch die Prüfungen anscheinend wieder aufgehoben werden soll. Das halten wir für verantwortungslos! Selbst wenn es Nachschreibetermine gibt, ist die Gefahr bis Ende Mai für diese Risikogruppen doch noch nicht gebannt.
Während in anderen Bundesländern, wie z. B. in Bayern die Prüfungstermine auf Anfang Juli 2020 verlegt werden können, um die Schülerinnen bestmöglich während des regulären Unterrichts auf die Prüfungen vorzubereiten, ist dies im Hinblick auf die in Hamburg sehr früh startenden Sommerferien nicht möglich. Von daher kann schon gar keine Rede mehr davon sein, dass es bundeseinheitliche Voraussetzungen gibt, um allen Schülerninnen einen bestmöglichen Abschluss zu ermöglichen.
Aus den vorgenannten Gründen muss es für eine Chancengleichheit und für bundesländerübergreifende gleichwertige Abschlusszeugnisse und vergleichbare Abschlussprüfungen einen neuen Hamburger „Fahrplan“ der ESA-/MSA-Prüfungen geben.
Ihre Aussage, dass die Prüfungen für den ESA/MSA nicht zentral festgelegt werden, kann hier nicht nachvollzogen werden, denn das ifbq (BQ30) hat die zentralen schriftlichen Termine für die Abschlussprüfungen 2020 am 31.03.2020 neu herausgegeben. Somit kann der neue „Fahrplan“ nicht in der Verantwortung jeder einzelnen Schule liegen.
Es muss eine einheitliche Regelung aller ESA-/MSA-Abschlussprüfungen in Hamburg geben! Wie wichtig diese Entscheidung für die weiteren schulischen und beruflichen Werdegänge unserer Kinder ist, brauchen wir wohl nicht ausführen.
Nach heutigem „Fahrplan“ werden die Schülerinnen direkt vom „Homeschooling“ in die Prüfungen gehen, den bisher noch nicht gelehrten Unterrichtsstoff zu Hause alleine zu erarbeiten stellt eine unzumutbare Härte für die Schülerinnen dar.
Sollte nach alldem an der Durchführung der Prüfungen festgehalten werden, machen wir die Schulbehörde auf folgendes aufmerksam:
Es muss Berücksichtigung finden, dass auf keinen Fall eine Abstufung der Noten (Nebenfächer) vorgenommen werden kann. Des Weiteren kann die Note des Vorhalbjahres nicht allein Anwendung finden.
Bei keiner oder zu geringer Bewertungsmöglichkeit durch die Lehrerinnen muss den Schülerninnen eine Ersatzleistung in Form einer Präsentationsarbeit angeboten werden.
Es muss schnellstmöglich den Schülerninnen eine digitale Plattform inkl. bei Bedarf benötigten geeigneten Endgeräte zur Verfügung gestellt werden, auf der die jeweiligen Lehrerinnen, zumindest in den zu prüfenden Hauptfächern ein „digitales Klassenzimmer“ einrichten können, um zumindest zum Teil den Schülern*innen eine Vorbereitung zu den Prüfungen wie in den Vorjahren zu ermöglichen.
Dazu muss die Schulbehörde dafür Sorge tragen, dass alle Schülerinnen und Lehrerinnen mit der entsprechenden digitalen Hard- und Software versorgt werden.
Ergänzend dazu muss es feste Lerncoachingtermine für einzelne Schüler*innen bzw. Kleingruppen in der Schule geben!!!
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle Familien und auch nicht alle Schulen bereits mit digitalen Endgeräten ausgestattet sind!
Den Lehrer*innen muss die Möglichkeit gegeben werden, die bis zu den Prüfungen noch nicht gelehrten Themen aus den Prüfungen herausnehmen zu dürfen.
Aus Sicht des Elternrates muss es eine Verschiebung der Termine geben, damit die Schüler*innen eine realistische Chance erhalten, ihre Prüfungen gem. ihrem eigentlichen Leistungsniveau ablegen zu können.
In der Hoffnung auf eine für die Schüler*innen bestmögliche Entscheidung und eines klar erkennbaren Weges des Senats verbleiben wir
mit freundlichen Grüßen
Der Vorstand für den Elternrat der STS Lurup